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Haushaltsrede 2018 – Teil 2 von Christian Bley, DIE FRAKTION P²

Sehr geehrte Damen und Herren,

wir haben es alle gehört:

  • Strukturelles Defizit: zu hoch
  • Ausgaben: zu hoch
  • Haushaltsreste: zu hoch und müssen abgebaut werden

Ich will einfach mal mit dem strukturellen Defizit anfangen:

Das strukturelle Defizit ist ein Defizit trotz verhältnismäßig guter Einnahmen. Es bildet sich auf Grund von dauerhaft schlechter bzw. fehlender Struktur.
Doch was macht man dagegen? Eigentlich ist das recht logisch: Bestehende Strukturen optimieren — und falls nötig neue Strukturen aufbauen. Das sieht man in der Verwaltung anscheinend auch so, wie die durchgeführten Organisationsuntersuchungen zeigen. Auch die geplante Nutzung der Vergleichssoftware (von IKVS) KANN dabei helfen organisatorische Probleme, Fehler und Flaschenhälse zu identifizieren.

Doch nur eine konsequente Ursachenbekämpfung kann das Problem lösen:
Es bringt nichts, sich die tollsten Konzepte auszudenken, wenn am Ende Geld und Personal fehlen sie umzusetzen. Dass diese Erkenntnis zu fruchten scheint, zeigt, dass in der Bauverwaltung Dutzende neue Stellen geschaffen werden, um die vielen Bauprojekte, die wir uns vorgenommen haben — und die auch dringend nötig sind — zu stemmen. Der soziale Wohnungsbau ist eine Mammutaufgabe für die Stadt Braunschweig, die uns seit Jahren begleitet und die uns auch noch viele, viele weitere Jahre einiges an Zeit und Geld kosten wird. Zeit und Geld, die gut angelegt sind.

Die CDU nannte in den Beratungen der Fachausschüsse den Begriff der anti-zyklischen Haushaltsführung, um dem strukturellen Defizit zu begegnen.
Demnach solle man in Zeiten schlechter Konjunktur die Investitionen erhöhen, um die Konjunktur anzukurbeln und in Zeiten guter Konjunktur die Investitionen wieder herunterfahren, um für schlechte Zeiten zu sparen. Aber was macht man, wenn man in Zeiten verhältnismäßig guter Konjunktur investieren MUSS, z.B. in den (bereits genannten) sozialen Wohnungsbau, weil immer mehr Menschen Ihre Miete nicht mehr bezahlen können!?
– Investieren?
– Oder warten?

Antizyklische Haushaltsführung ist ein zweischneidiges Schwert, denn es ist nicht vermittelbar, Geld, das man hat — oder noch hat — nicht zu investieren, wenn es notwendig ist. Und das es notwendig ist, steht meiner Meinung nach außer Frage: Wir liegen in einigen Bereichen um JAHRE zurück:
Beispiel Digitalisierung:

  • Noch immer hat nicht jeder Haushalt in Braunschweig Breitband Internet (zukünftig vermutlich einer der wichtigsten Standortfaktoren).
  • WLAN im öffentlichen Raum wird IMMER NOCH stiefmütterlich behandelt. (Wir warten noch immer auf ein Konzept für ‚freies‘ WLAN im Stadtgebiet, nicht nur für die Innenstadt…).
  • Auch innerhalb der Verwaltung besteht im Bereich der Digitalisierung und Modernisierung von Abläufen und Verfahren, erhebliches Optimierungspotential.

Noch gibt es Geld und wir können investieren, um weiterhin zukunftsfähig zu bleiben. Und wo ist Zukunftsfähigkeit wichtiger als in einer innovativen Stadt der Wissenschaft? Wenn wir nicht JETZT Geld in die Hand nehmen, werden wir in Zukunft nicht um große Kreditaufnahmen herumkommen, um die Haushaltsreste abzubauen, die sich in den letzten Jahren zu einem beachtlichen Berg aufgetürmt haben:

Haushaltsreste?
Das sind doch diese Dinge, die mal beschlossen wurden, aber noch nicht umgesetzt wurden, weil irgendetwas anderes gerade wichtiger war, oder weil schlicht und einfach das Geld oder das Personal zur Umsetzung fehlte. ABER: Diese Dinge wurden ja nicht umsonst beschlossen. Sie wurden beschlossen, weil sie für wichtig gehalten wurden! Haushaltsreste lassen sich nicht wegsparen, im Gegenteil: Sie lassen sich weg investieren!

Der Grundsatzantrag von SPD und GRÜNE, dem wir im FPA ja auch zugestimmt haben, ist ein gutes Konzept zur zukünftigen Weiterentwicklung des Haushaltes. Er beinhaltet alles, was notwendig wäre. Es bleibt zu hoffen, dass aus den Untersuchungen und Vergleichen die richtigen Schlüsse gezogen werden und konsequent gehandelt wird, oder ob es nur bei kleineren Rumgedoktore bleibt.

Einen Punkt allerdings gibt es im besagten Grundsatzantrag, dem wir so nicht zustimmen können:
Das künftige nicht-mehr-durchführen der Gewerbesteuerglättung. Warum nicht?
Noch mal in Kürze, damit es auch alle verstehen:
Gewerbesteuerglättung bedeutet, den Mittelwert der Gewerbesteuereinnahmen aus den 7 vorherigen Jahren, +/- etwaiger Sondereffekte, zu ermitteln, um zu wissen, mit wie viel Gewerbesteuer wir im Schnitt rechnen können. Was ich letztendlich mit dieser Information mache ist meine Sache.

Tja, wenn nicht mehr gewollt ist, dass wir wissen, wo wir ungefähr stehen, dann ist das in meinen Augen unverständlich, wenn nicht gar grob fahrlässig.
Daher werden wir diese Zahlen zum nächsten Haushalt einfach bei der Verwaltung abfragen. Damit wir uns auch nächstes Jahr sehenden Auges verschulden können!
Womit wir beim Thema Transparenz und Nachvollziehbarkeit wären.

Wir sind es, die irgendwann zukünftigen Generationen erklären müssen:

  • Warum sind die Schulen marode?
  • Warum ist Wohnen so teuer!?
  • Warum sind so viele Menschen arm?
  • Und warum habt ihr die Chancen nicht genutzt, als es sie noch gab?

Was sollen wir dann antworten?
„Hey, Sorry, wir mussten sparen!?“

Ich frage SIE:
Wie stellen Sie sich die Stadt in 50 Jahren vor?
Die meisten von Ihnen werden jetzt vermutlich denken: „Das erleb‘ ich doch gar nicht mehr!“ Stimmt vermutlich sogar, aber denken Sie bitte auch an die Generationen von Morgen und Übermorgen…
Stimmen Sie den Investitionen und damit dem Haushalt zu:
Wir werden es auch tun.

Vielen Dank für die konstruktiven Beratungen in den Fachausschüssen und auch heute im Rat.