Statement von Maximilian P. Hahn, Fraktionsvorsitzender von DIE FRAKTION P² (Die PARTEI | PIRATEN) und Mitglied im Ausschuss für Soziales und Gesundheit zum derzeit aktuellen Thema der Obdachlosigkeit im öffentlichen Raum:

Ungarn
Seit Montag sorgt ein neues Gesetz in Ungarn dafür, dass Obdachlose kriminell sind, wenn sie auf Straßen oder öffentlichen Plätzen leben. Dieses Gesetz verbietet Obdachlosigkeit und erlaubt den Polizeibehörden, Wohnungslose von den Straßen zu vertreiben oder sie zu verhaften. [1]

Ein Land, welches zu wenig Wohnungen für Alle hat, verbietet den Aufenthalt im öffentlichen Raum. Es werden Obdachlose bekämpft, aber nicht die Obdachlosigkeit. Was kommt als nächstes? Wir haben zu wenig Arbeit für alle, aber Arm sein wird verboten und unter Strafe gestellt?

Frankreich
In Frankreich wird die Oberbürgermeisterin von Paris A. Hidalgo das Rathaus den zahlreichen Obdachlosen im Winter zur Verfügung stellen sowie für Lebensmittel sorgen. Zahlreiche weitere Notunterkünfte sollen u.a. in leerstehenden Gebäuden und bestehenden Einrichtungen geschaffen werden. [2]

In Paris, der Stadt der Liebe, nimmt diese Frau ihre Verpflichtung zur Daseinsvorsorge auch gegenüber den Schwächsten in der Gesellschaft sehr ernst und sorgt pragmatisch für Abhilfe. Chapeau!

Was passiert in Deutschland?
Die Anzahl derer, die in Deutschland obdachlos sind, ist in den vergangenen Jahren stark angestiegen. Auch Familien mit Kindern werden immer häufiger obdachlos. [3]

Zu wenige Sozialwohnungen und Obdachlosenunterkünfte tragen dazu bei, dass Menschen im öffentlichen Raum leben müssen. Jedoch regeln zahlreiche Verordnungen zum Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung das Leben im öffentlichen Raum. Auch kommunale Satzungen, die die Nutzung des öffentlichen Raumes reglementieren bzw. über die Gesetzeslage hinaus einschränken und Repressalien schaffen, sorgen dafür, dass es Menschen unmöglich gemacht wird auf der Straße zu leben – weder freiwillig noch unfreiwillig!



Braunschweig
Und auch in Braunschweig gibt es Menschen, die sich an exponierten Stellen in der Stadt längere Zeit aufhalten – ob es sich hierbei um Lagernde, Ausruhende oder Obdachlose handelt ist uns nicht bekannt. Aber mit der Änderung der Sondernutzungssatzung an Ortsstraßen und Ortsdurchfahrten, welche der Rat der Stadt Braunschweig in seiner letzten Sitzung – auch gegen unsere Stimmen – beschlossen hat, wird ihnen Allen ein längerer Aufenthalt im öffentlichen Raum erschwert. Mit unserem Änderungsantrag hatten wir versucht, auf die weitreichende Problematik dieser Neufassung hinzuweisen – leider ohne Erfolg. [4,5]

Und nun?
Weitere Streetworker sollen nun Lösungen zu unterschiedlichen Problemen anbieten. [6]
Wohnungen werden vermutlich nicht dabei sein. Und wo bitte sollen diese Sozialarbeiter nun die Lagernden oder Obdachlosen finden – jetzt, nachdem die Satzungsänderung in Kraft getreten ist? Sie dürfen sich ja zukünftig nicht mehr an den bekannten Plätzen aufhalten. Statt sie durch Aufenthaltsverbote zu vertreiben, wäre es sinniger gewesen, ihnen einen zentralen Ort in der Innenstadt anzubieten, an dem sie sich ohne Repressalien und ohne andere Braunschweiger zu stören, hätten aufhalten können – stattdessen haben wir nun Verdrängung!

Lasst uns hier in Braunschweig ein bisschen mehr wie Frankreich und viel weniger wie Ungarn sein, bitte!

Quellen:
[1] https://www.deutschlandfunknova.de/nachrichten/ungarn-obdachlosigkeit-jetzt-offiziell-verboten
[2] https://www.srf.ch/news/international/unterschlupf-fuer-clochards-paris-will-rathaeuser-fuer-beduerftige-oeffnen
[3] https://www.srf.ch/news/international/obdachlose-in-deutschland-es-ist-eine-traurige-entwicklung
[4] https://ratsinfo.braunschweig.de/bi/vo020.asp?VOLFDNR=1009019
[5] https://ratsinfo.braunschweig.de/bi/vo020.asp?VOLFDNR=1010746
[6] https://regionalbraunschweig.de/spd-fraktion-zum-lagern-und-betteln-in-der-innenstadt/

Zuerst erschienen am 17.10.2018 bei regionalheute.de.